Il Sacrifizio / Das Opfer

Ein Volk, das von seiner überlieferung abgeschnitten ist, ist zum Untergang verurteilt.
Wir erschaffen uns durch unsere Geschichten.
Wir werden zu denen, die wir sind, indem wir unsere Geschichten erzählen.

Frank Tallis: Kopflos, 1. Aufl., München 2010, S. 114 



  • I VIRTUOSI @ FEENREICH 1 °
    Schloss Esterházy, Eisenstadt/Österreich


    ° Goethe prägt den Begriff vom Esterházyschen Feenreich in seinen Lebenserinnerungen Dichtung und Wahrheit im Zusammenhang mit Festdekorationen von Nikolaus I. Fürst Esterházy, die er anlässlich der Krönungsfeier Josephs II. zum römisch-deutschen König im Jahr 1764 in Frankfurt gesehen hat.


    margarita helen vassili stimmel



  • Wien

    AUSFÜHRENDE

    Margarita De Arellano - Sopran (Telaira)
    Hélène Lindqvist - Sopran (Nerina)
    Vassilis Kavayas - Tenor (Silvio)
    Thomas Stimmel - Bass (Montano)

    Chrissa Maliamani - Sopran
    Lin Shi - Mezzosopran
    Shinsuke Nishioka - Tenor
    Sava Vemic - Bass
    Marnix Möhring - Violoncello

    Philipp Vogler - Musikalische Leitung / Pianist

    Programmkonzeption - Nicolas Trees

  • Geburtstagsständchen für Kaiser Franz:

    Joseph Weigl: IL SACRIFIZIO / DAS OPFER

    Cantata Pastorale a quattro voci e Cori per il Clavicembalo -
    Schäferkantate zu vier Stimmen und Chor für das Cembalo

    Libretto: Luigi Prividali

    Private Uraufführung: Wien, 12. Februar 1806

    • Konzertante Aufführung am Samstag, 28. April 2012 um 19h30
      (Dauer ca. 90 Min.)
    • Haydnsaal, Schloss Esterházy
      Eisenstadt (Burgenland/Österreich)
    • Im Rahmen der Liebhaber-Concerte von

      festivallogo
    • Öffentliche Uraufführung / Zeitgenössische Erstaufführung
    • Aufführung in italienischer Sprache
      Werkeinführung um 18h30

Wien, 12. Februar 1806 - Geburtstag von Franz II./I. : Noch war Franz Doppelkaiser, sowohl Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als auch Kaiser von österreich. Zur Feier im privaten Rahmen wird Joseph Weigls Salonkantate Il Sacrifizio uraufgeführt. Das Werk ist eine Auftragskomposition von Franz' Gattin, der Kaiserin Maria Theresia von Neapel-Sizilien.

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Der Entstehung dieses heiteren Stückes geht eines der düstersten Kapitel Habsburgischer Geschichte voraus: Im dritten Koalitionskrieg besetzt Napoleon im November 1805 Wien und nimmt auf Schloss Schönbrunn Quartier. Der Hof flieht ins Exil nach Böhmen.

  • Schlacht
    Lager Napoleons am Vorabend der Schlacht bei Austerlitz
    Ölgemälde von Louis-François Lejeune - 1808

  • Am 2. Dezember 1805 fallen in der Schlacht bei Austerlitz insgesamt über 15'000 Soldaten. In der Folge wird mit Napoleon am 26. Dezember der Friede von Pressburg geschlossen. Dieses Abkommen ist eine beispiellose Erniedrigung für die Donaumonarchie und treibt Franz im August 1806 zur Niederlegung der römisch-deutschen Kaiserkrone. Fortan wird er nur noch als Kaiser Franz I. von österreich weiter regieren. Dieser Schritt leitet die Entwicklung des nationalstaatlichen Prinzips ein, welches das politische Denken des 19. Jahrhunderts beherrschen sollte.

    Der Hof kehrt erst knapp vor der Première von Il Sacrifizio wieder aus dem Exil nach Wien zurück. Wo genau die Uraufführung der Kantate stattgefunden hat, ist nicht überliefert.

Die Handlung:
Il Sacrifizio ist eine heitere Schäferkomödie. Sie spielt in einem mythologischen Land, das von einem Kaiser regiert wird.
Der Kaiser hat Geburtstag: Telaira und Silvio planen zur bevorstehenden Feier ein Dankesopfer an die Götter. Beide müssen jedoch bestürzt feststellen, dass die Opferrequisiten gestohlen worden sind. Die nun einsetzenden Verwicklungen treiben alle Beteiligten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. In der Hoffnung die Gerätschaften wiederzufinden, ruft Silvio verzweifelt Apollo an.
Der Gott des Lichtes und der Musik erhört seinen Wunsch: Da das Stück ausdrücklich zur Feier des kaiserlichen Geburtstages komponiert worden ist, darf sich der Zuhörer sicher sein, dass die Requisiten am Ende wieder auftauchen: Auf der Bühne kann das unterbrochene Opfer für den Kaiser genau so wieder aufgenommen werden wie in der historischen Realität: nach dem Pressburger Frieden und nach Napoleons Abzug aus Wien. Die Handlung:
Il Sacrifizio ist eine heitere Schäferkomödie. Sie spielt in einem mythologischen Land, das von einem Kaiser regiert wird.
Der Kaiser hat Geburtstag: Telaira und Silvio planen zur bevorstehenden Feier ein Dankesopfer an die Götter. Beide müssen jedoch bestürzt feststellen, dass die Opferrequisiten gestohlen worden sind. Die nun einsetzenden Verwicklungen treiben alle Beteiligten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. In der Hoffnung die Gerätschaften wiederzufinden, ruft Silvio verzweifelt Apollo an.
Der Gott des Lichtes und der Musik erhört seinen Wunsch: Da das Stück ausdrücklich zur Feier des kaiserlichen Geburtstages komponiert worden ist, darf sich der Zuhörer sicher sein, dass die Requisiten am Ende wieder auftauchen: Auf der Bühne kann das unterbrochene Opfer für den Kaiser genau so wieder aufgenommen werden wie in der historischen Realität: nach dem Pressburger Frieden und nach Napoleons Abzug aus Wien.

Das Werk: Die Salonkantate ist für vier Solisten, Vokalensemble (Coro) und Continuo-Begleitung komponiert. Das Werk ist einaktig und offensichtlich für einen Theaterraum konzipiert. Davon zeugen musikdramatische Elemente wie Fernchöre, Echoeffekte u.a.m. Die szenische Einteilung ergibt zwei unterschiedliche Spielorte.


Die Produktion der Cantata pastorale von I VIRTUOSI AMBULANTI e.V. sieht zehn Mitwirkende vor: Die vier Gesangssolisten werden durch ein Vokalquartett (Coro) ergänzt. Dazu kommen ein Cellist und ein Pianist / Musikalischer Leiter für die Continuo-Begleitung.

Angesichts der düsteren Entstehungszeit von Il Sacrifizio muten die Leichtigkeit und unbeschwerte Heiterkeit der Musik richtiggehend beklemmend an. In der Kantate werden musikalische Elemente der Opera seria und Opera buffa humorvoll miteinander verzahnt und parodiert. Zweimal zitiert Weigl in witzigem Kontext bekannte Operntitel: Orfeo von Gluck und Mozarts Don Giovanni. Beide Stücke stehen auf den Programmen der privaten Akademien von Maria Theresia von Neapel-Sizilien. Sie liebt das Stilmittel der Opernparodie sehr und gibt für weitere Salonkantaten, die in ihrem Auftrag komponiert werden, kompetente und geistreiche Anregungen.

Der kaiserliche Geburtstag und der Kaiser selbst sind einerseits Anlass für die Aufführung des Stückes, andererseits auch Bestandteile seines fiktiven Inhaltes. Das spritzige Werk lebt von der Wechselwirkung zwischen seinem realen Kontext (der Geburtstagsfeier) und der erfundenen Handlung mitsamt den daraus entstehenden Doppelbödigkeiten:
Die Darsteller agieren zwar als Charaktere eines dramatischen Geschehens, kennen aber (in ihrer Figur) auch den realen Hintergrund des Anlasses. Das bietet ihnen immer wieder die Möglichkeit, aus ihren eigenen Rollen "auszusteigen" - eine humoreske Vorwegnahme von Bertold Brechts Verfremdungseffekt.

Das existierende Partiturmanuskript von Il Sacrifizio ist für Continuo-Begleitung gesetzt. Dieser Tatsache entspricht die Stückbezeichnung Cantata pastorale [...] per il Clavicembalo auf dem Frontispiz. In einer der separaten Gesangsstimmen findet sich bei einem Rezitativ der ergänzende Nachtrag: Recitativo coi stromenti. Präzisere Angaben oder eine entsprechend auskomponierte Instrumentierung existieren jedoch nicht. An dieser Stelle machen historische Fakten der Spekulation Platz: War es aufgrund der französischen Besatzung Wiens und der knapp vor der Uraufführung erfolgten Rückkehr des Hofes aus dem böhmischen Exil nicht mehr möglich, das Werk für ein Kammerorchester zu instrumentieren (wie die meisten anderen Salonkantaten, die der Komponist aus Eisenstadt für Maria Theresia komponiert hat)?

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  • Familie

    Joseph Kreutzinger: Portrait der Familie des österreichischen Kaisers (Franz I. und Maria Theresia von Neapel- Sizilien mit ihren Kindern), 1805

  • Über Jahre hinweg veranstaltet die Kaiserin in ihren Gemächern, manchmal fast täglich, musikalische Akademien. Gemeinsam mit den renommiertesten Interpreten ihrer Zeit führt sie dort Werke aller Musikgattungen bis hin zu vollständigen Opern auf. Anlässlich der Feiern zum Namens- und Geburtstag des Kaisers erteilt sie außerdem alljährlich Kompositionsaufträge für kleinere dramatische Werke und Messen. In vielen Stücken wirkt die Kaiserin, eine ausgebildete Sängerin und Musikerin (sie spielt Cello und Klavier), selber mit. Unter den Komponisten finden sich neben Joseph Weigl Namen wie Michael Haydn und Ferdinando Paër.

  • Einige Rollen werden eigens für sie geschrieben: 1801 singt die Kaiserin anlässlich der Uraufführung von Weigls Oper L'uniforme in Schönbrunn die weibliche Hauptrolle. Der Komponist berichtet: "Ich hatte das Glück, die allerhöchste Zufriedenheit zu erhalten und musste von dieser Zeit an bey allen Kammermusiken am Klavier dirigieren, so wie zu verschiedenen Gelegenheiten, [...] zu den Geburts- und Nahmensfesten S.M. des Kaysers mehrere Cantaten und kleine Ballette verfertigen."
    ¹ So wird Weigl zum Leiter der kaiserlichen Kammermusiken und komponiert für derartige Privatanlässe am Kaiserhof mindestens zehn Kantaten, Kammeropern und Divertissements. Einen besonderen Authentizitätsanspruch erhalten diese Aufführungen durch die Tatsache, dass sie unter der persönlichen musikalischen Leitung des Eisenstädter Komponisten stehen.

Mit dem jähen Tod der 35-jährigen Kaiserin 1807 erlöschen die geselligen, kulturellen Aktivitäten. Für Weigl bricht eine Welt zusammen: "Nun traff mich der größte, der schmerzhafteste Schlag, der unerwartetste, der mich hat treffen können. Maria Theresia, meine Mutter, meine Wohlthäterin starb. Mit mir seufzen noch viele Tausende, für die sie sorgte. [...] Ich habe mit ihr alles verloren und bin seitdem der nicht mehr, der ich war. Die rege thätige Freude zur Kunst, die grosse Aufmunterung, durch welche sie zu beleben wusste [...], alles ist seit der Zeit dahin; ich bin untauglich für alles, was die Welt fordert [...]." ¹

1 Angermüller, Rudolf: 1971
Zwei Selbstbiographien von Joseph Weigl (1766-1846), in: Deutsches Jahrbuch der Musikwissenschaft 16 (1971), S. 46-85

Joseph Weigl (1766-1846): Der Eisenstädter Komponist schreibt Opern und weltliche dramatische Kantaten, die eine faszinierende, heute vergessene Brücke zwischen der Wiener Klassik und der italienischen Opernkultur im frühen 19. Jahrhundert schlagen. Er darf damit musikgeschichtlich als Österreichs wichtigster Beitrag zum Kapitel Belcanto gelten.

Haydns Patenkind wird in Eisenstadt geboren. Sein Vater Joseph Franz Weigl ist als Cellist in der Hofkapelle der Fürsten Esterházy engagiert. Die Mutter Anna Maria Josepha, Tochter des Esterházyschen Oberbuchhalters Anton Scheffstoss, ist "Chor- und Cameral-Singerin" in fürstlichen Diensten. Weigl studiert in Wien bei Salieri. Anlässlich der Uraufführung von Le Nozze di Figaro bzw. der Wiener Première von Don Giovanni wird er Mozarts Assistent und dirigiert spätere Aufführungen dieser Opern am Burgtheater.

Das musikalische Erbe seiner Lehrmeister und Vorbilder zeigt bald Wirkung: Weigl beginnt, komische Opern in italienischer Sprache zu komponieren. Besondere Erfolge erzielt er mit La principessa d'Amalfi (Wien, 1794) und L'amor marinaro (Wien, 1797): 1803 erleben beide Stücke ihre erfolgreiche Erstaufführung an der Mailänder Scala, von wo aus sie einen regelrechten Siegeszug durch alle wichtigen italienischen Opernhäuser antreten. Zudem verschaffen diese Erfolge Joseph Weigl mehrere Kompositionsaufträge für die Scala. Vier davon werden realisiert: die Opern Cleopatra (1807), Il rivale di se stesso (1808) und L'imboscata (1815) sowie die Kantate Il ritorno d'Astrea (1816) - ein weiteres Huldigungswerk für Kaiser Franz I. von österreich.

Alle Stücke erweisen sich auch prompt als Kassenschlager: Cleopatra erlebt 41 und Il rivale di se stesso insgesamt 111 Aufführungen bis zum Jahr 1818. Dieses Werk gilt damit an der Scala als einer der erfolgreichsten Operntitel seiner Zeit. Auf den Gehaltslisten der Mailänder Impresari figuriert der Eisenstädter Komponist zusammen mit Johann Simon Mayr, Ferdinando Paër und Gioacchino Rossini als Compositore di prima classe (Komponist der ersten Gehaltsklasse).


© Werkkommentar: Nicolas Trees

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