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Bad Homburg.
Zwei Jubiläen zusammen: 1774 erschien zur Leipziger Buchmesse "Die Leiden des jungen Werthers" und avancierte sofort zum Bestseller und im Jahr 2000 wurde die Reihe der Schlosskonzerte ins Leben gerufen. Beide Ereignisse vereint führten am Freitag zu einer interessanten und höchst anspruchsvollen Aufführung.

Wunderbare Musik heute weitgehend unbekannter Meister des 19. Jahrhunderts erklang, die sich alle musikalisch mit dem Werther-Thema auseinandergesetzt hatten - eine „Wertheriade“ - als erste Salonoper aufgenommen in die Reihe der Schlosskonzerte.

Lotte und Werther

Lotte, um die sich in Werthers Herz und Seele alles drehte, wurde gesungen von Jelena Bankovic (Sopran), Werther selbst von Timothy Fallon (Tenor), beides wunderbare wandlungsfähige Stimmen. Während Fallon sich auf die Akustik des Raumes einstellen konnte, war der Sopran von Bankovic meist zu wuchtig, mit breit schwingendem Timbre eher für ein großes Opernhaus geeignet; Lotte stellte man sich zarter vor. Prächtig und enthusiastisch begleitet wurden die beiden Sänger von I Virtuosi suonatori mit Violine (Juan Roqué Alsina), Viola (Alberto Clé Esperón), Violoncello (Sokol Koka), Flöte 2 (Serena Aimo), Klarinette (Ivan Nig) und Klavier (Tung-Hsing Tsai).

Die Musik-Collage

Und nun zum Pasticcio - als Musik-Collage lässt es sich vielleicht am einfachsten erklären. In zweijähriger Arbeit hatte Nicolas Trees aus Werken von Karl Vollweiler, Ferdinand Hiller, Carlo Coccia, Felice Biancini, Saverio Mercadante, Johann Nepomuk Hummel, Gaetano Donizetti und Franz Seraph Destouches Teile ausgewählt, die sowohl die zur Rezitation bestimmten Textstellen aus dem Werther charakterisieren als auch in ihrer Form nahtlos zueinander passen. Letzterer ist dabei besonders zu erwähnen, Destouches war von 1820 bis 1841 Hofkapellmeister in Bad Homburg.

Die Transkriptionen und Kadenzen für das Instrumentalensemble wurden von den beiden musikalischen Leitern Mark Pogolski (Klavier) und Dr. Gustavo Sánchez (Flöte 1) erarbeitet unter Beratung von weiteren Musikwissenschaftlern der Universität in Madrid.

In der Form, in der die alte Musik neu zusammengestellt und bearbeitet zum Salonopern-Pasticcio die Schlosskirche erfüllte, war das Werk eine Uraufführung. Nicolas Trees, der künstlerische Gesamtleiter des Projektes, las dazwischen Textstellen aus dem Werther, Briefe von Goethe an Kestner, dem zukünftigen Gatten der realen Lotte aus Wetzlar, und solche an Lotte selbst. Er las von weit hinten aus der Apsis, prägnant und einfühlsam, aber oft zu leise und darum nicht immer zu verstehen.

Virtuos gespielt

Die Musiker spielten hervorragend, besonders die drei Streicher glänzten durch Virtuosität, die Intonation ließ an etlichen Stellen ein wenig zu wünschen übrig. Für die Sänger waren die örtlichkeiten besonders schön zu bespielen, mal standen sie vor den Musikern, mal kamen ihre Stimmen von den oberen Logen, dann sang Lotte auch von der Kanzel. Als sehr lebendig und gut gelungen kann man diese anspruchsvolle Aufführung bezeichnen, die Zuhörer dankten dies durch lange währenden begeisterten Beifall.